Wie sehr das Thema „Moorwiedervernässung“ die Bürger interessiert und beunruhigt, davon konnte man sich bei einer Veranstaltung des CDU-Gemeindeverbandes Ovelgönne in der Gaststätte „König von Griechenland“ überzeugen. Denn der große Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt; zusätzliche Stühle mussten aufgestellt werden.
Unter den mehr als 100 Gästen war auch Bürgermeister Sascha Stolorz.
CDU bleibt bei dem Thema aktiv
Der CDU-Vorsitzende Carsten Osterloh begrüßte die Anwesenden. Er kündigte an:
„Wir werden bei diesem Thema aktiv bleiben.“ Weitere Informationsveranstaltungen seien in den kommenden Monaten geplant.
Auf das Publikum wartete ein Referat von Mathias Paech vom Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen. Das hat seinen Sitz in Ovelgönne.
Der Projektleiter stellte den so genannten Faktencheck des Grünlandzentrums mit dem Titel „Zukunft der Moorstandorte in der Küstenregion Niedersachsens“ vor. Dem folgte eine angeregte, zum Teil leidenschaftliche Diskussion.
Im Mittelpunkt der Veröffentlichung stehen die Konsequenzen für die Land- und Ernährungswirtschaft bei großflächiger Wiedervernässung in den durch Milchviehhaltung geprägten Moorgebieten in Küstennähe. Je nach Szenario werde in der Küstenregion ein Produktionswert aus der Milchviehhaltung zwischen rund 583,1 Millionen Euro und einer Milliarde Euro pro Jahr entzogen. In der gesamten Wirtschaftsregion entlang der Küste seien je nach Szenario zwischen 30.115 und 54.052 Arbeitsplätze gefährdet. Nicht vernachlässigt werden dürften außerdem Vermögensverluste durch Wertminderung der Flächen, die zwischen 2,32 und 2,80 Milliarden Euro liegen könnten.
Politik hat die Weichen gestellt
Mathias Paech verdeutlichte, dass die Moorwiedervernässung aus Klimaschutzgründen grundsätzlich seitens der Politik eine beschlossene Sache sei: „Zum Beispiel formuliert die Moorschutzstrategie der Bundesregierung eine Exitstrategie von der trockenen zur nassen Nutzung.“ Auf Landesebene sehe das ähnlich aus. Und erst im Juli habe sich das EU-Parlament für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ausgesprochen. „Die Wiedervernässung der Moore ist darin enthalten“, weiß Paech. Hintergrund: Deutschland wolle bis 2045 klimaneutral sein und die Europäische Union bis 2050.
In den Zukunftsszenarien der Moorlandschaften würden in Deutschland nur noch torferhaltende Maßnahmen (Renaturierung) oder schwach torfzehrende Maßnahmen (Paludikulturen und Photovoltaik) diskutiert. Demnach sei die stark torfzehrende, trockene Nutzung wie etwa durch die intensive Milchviehhaltung „ein Auslaufmodell“. In den betroffenen Regionen sei vielen Menschen der anstehende grundlegende Wandel noch gar nicht bewusst. Das ergibt sich aus dem Faktencheck des Grünlandzenrums und diesen Eindruck hat Paech ebenfalls.
In der anschließenden Diskussion meldete sich unter anderem Heiko Holthusen, Vorsitzender der Braker Sielacht, zu Wort. Er wies auf beträchtliche Investitionen in die Infrastruktur hin. Diese wären bei einem angehobenen Wasserstand im Zuge der Moorwiedervernässung erforderlich.
Erhebliche Entschädigungen notwendig
Das Entwässerungs- und Bewässerungssystem in der Wesermarsch sei sehr ausgeklügelt – und die Auswirkungen bei massiven Eingriffen schwer kalkulierbar. Außerdem haben die Schöpfwerke, Siele und Mündungsschöpfwerke Holthusen zufolge bereits jetzt ihre Belastungsgrenze erreicht.
Dr. Karsten Padeken, Vorsitzender des Kreislandvolkverbandes Wesermarsch, warf Verfechtern der Moorwiedervernässung „ideologisch gefärbte“ Positionen vor. Das gelte auch für Teile der Wissenschaft.
Wenig beachtet werde, dass bei einer Transformation der Landwirtschaft in der Wesermarsch erhebliche Entschädigungszahlen notwendig wären. Bei der Umstellung nach dem Ende für den Braunkohleabbau habe der Staat 36 Milliarden Euro gezahlt, so Padeken. Doch im Zusammenhang mit der Moorwiedervernässung seien im Zuge der Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Moorbodenschutz lediglich 330 Millionen Euro vereinbart worden, und das für alle Bundesländer zusammen. Auf keinen Fall dürften die Landwirtinnen und Landwirte mit entwerteten Flächen da stehen – noch dazu unter dem Gesichtspunkt der Altersvorsorge.
„Moorschutz ist Generationenaufgabe“
Bürger im Publikum zeigten sich besorgt. Und die Sorgen wurden nicht nur von Landwirten, sondern auch von Menschen aus tiefer gelegenen Ortschaften geäußert. Eine Veranstaltungsteilnehmerin brachte angesichts der drohenden Eingriffe in das private Eigentum eine Verfassungsklage, eine andere die Gründung einer Bürgerinitiative ins Gespräch.
Wegen Terminen in Hannover konnte der CDU-Landtagsabgeordnete Björn Thümler nicht bei der Zusammenkunft in Ovelgönne dabei sein. Doch in einer schriftlichen Stellungnahme betonte er: „Diejenigen bäuerlichen Betriebe müssen von Land und Bund vollumfänglich entschädigt werden, deren Verdienstmöglichkeiten auf eigenem Boden durch die neuen Auflagen möglicherweise massiv einbrechen.”
Bevor über Entschädigungen geredet werden könne, sollte jedoch ein schlüssiges Konzept für eine Wiedervernässung der Moore stehen. Dieses müsse einen Interessenausgleich zwischen den Belangen des Klima- und Umweltschutzes auf der einen und der Landwirtschaft auf der anderen Seite gewährleisten, so Björn Thümler. Moorschutz dürfe nicht über das Knie gebrochen werden und sei eine „Generationenaufgabe“.