„Energie von hier: Mögliche Antworten auf die Energiekrise“ – unter diese Überschrift hatte der CDU-Landtagsabgeordnete Björn Thümler eine öffentliche Informations- und Diskussionsveranstaltung im Wohncenter in Nordenham gestellt. Gemeinsam mit Praktikern aus der Wirtschaft und Wissenschaftlern beleuchtete Thümler verschiedene Aspekte der Energiewende – mit zum Teil sehr ernüchterndern Ergebnissen. Die rund 50 interessierten Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich rege.
+++ Kein Einsparpotenzial mehr bei Bäcker Jantzen +++
Auf dem Podium saßen, neben Geschäftsführer Hendrik Lenz vom Wohncenter Nordenham, Energie-Gruppenleiter Dr. Sven Rosinger vom OFFIS – Institut für Informatik in Oldenburg und Tim Eshold, Energie-Verantwortlicher beim Glencore-Hüttenbetrieb in Nordenham. Außerdem dabei: Joost Kuhlenkamp, Referent für Bioenergie und Wärme im Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen (LEE), und der Bäckermeister Matthias Jantzen aus Nordenham.
Eingangs beschrieb Hendrik Lenz die vielfältigen Maßnahmen, mit denen er seine Firma zurzeit nachhaltiger aufstellt. Unter anderem werden demnächst 20 Ladestationen für Elekrofahrzeuge errichtet und der Fuhrpark auf Elektromobilität umgestellt. Der Wohncenter-Geschäftsführer kritisierte jedoch die von der Politik ausgelösten Planungsunsicherheiten, die häufig zum Zurückstellen von Investitionen führten. Lenz wörtlich: „Eine politische Verlässlichkeit ist nahezu nicht gegeben.“
Wie sehr die explodierenden Energiepreise nicht nur die Prvathaushalte, sondern auch die Wirtschaft belasten und bedrohen, machten Jantzen und Eshold klar. Matthias Jantzen führt in vierter Generation einen 1912 gegründeten Betrieb und blickt pessimistisch in die Zukunft. Zum Jahresende läuft der Vertrag mit dem Energieversorger EWE aus und dann befürchtet Jantzen statt einer monatlichen Gasrechnung von 1.000 Euro mindestens 4.500 Euro. Einsparpotenzial sehe er in seinem Unternehmen nicht mehr, betonte Bäckermeister Jantzen.
+++ Ungenutzte Möglichkeiten von Biogas +++
Eshold vertrat ein Unternehmen, das noch erheblich höhere Energiemengen verbraucht. So sei der Stromverbrauch des Nordenhamer Glencore-Standortes mit dem der Stadt Hannover vergleichbar, verdeutlichte er. Doch der Stromverbrauch habe sich zwischenzeitlich verzwanzigfacht. Tim Eshold wusste zu berichten, dass bereits die Hälfte aller Aluminumhütten und aller Zinkhütten in Europa ihre Produktion heruntergefahren haben. Die Auswirkungen auf die Lieferketten und Zulieferer seien verheerend, fügte er hinzu. Eshold wiederholte die Forderung nach einer Deckelung des Industriestrompreises auf vier Cent pro Kilowattstunde – ein Versprechen des jetzigen Bundeskanzlers aus dem vorherigen Bundestagswahlkampf.
Björn Thümler erläuterte, warum aus seiner Sicht gerade in Niedersachsen zahlreiche Möglichkeiten für eine dezentrale Energieversorgung bestehen. Beispiele seien die Wasserstoff-Elektrolyse in Huntorf, die Biogas-Produktion und die Geothermie.
Doch der politische Rückenwind sei nur eingeschränkt vorhanden, bedauerte der Politiker. So verweigere der Bund die Umrüstung des Druckluftspeicher- und Gasturbinenkraftwerkes in Huntorf, die – überschaubare – 25 Millionen Euro kosten würde.
Biogasanlagen könnten schon jetzt aus dem Stand heraus 20 Prozent mehr Gas liefern als sie derzeit gesetzlich dürften und vier Prozent der Menge des fehlenden russiches Gases ersetzen, rechnete Thümler vor.
+++ Geothermie als Teillösung +++
„Mit einem Federstrich“ könnte der Bund die Leistungsbeschränkungen aufheben, tue es aber nicht. Joost Kuhlenkamp, Referent für Bioenergie und Wärme im Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen, merkte in diesem Zusammenhang an: „Der erste Gesetzentwurf, der in dieser Sache zu uns durchgedrungen ist, kratzt sehr an der Oberfläche.“
Bei der Geothermie sei es nicht der Bund, der Energiealternativen ausbremse, sondern das SPD-geführte Umweltministerium in Niedersachen, so Björn Thümler. Er verwies darauf, dass „überall in Niedersachsen“ Bohrlöcher mit bis zu 100 Metern Tiefe zu finden seien; zum Teil seien sie noch aus der Hoch-Zeit der Erdölförderung übrig geblieben. Diese Bohrlöcher wären nach Auffassung Thümlers eine gute Basis für geothermische Versuche. Doch das Niedersächsische Bergamt habe ein Verfüllen der Bohrlöcher verfügt: „Ich halte das für einen Skandal.“
Dr. Sven Rosinger bestätigte, dass Geothermie eine Teillösung sein könne. Über verschiedene Varianten der Energieerzeugung muss nach seiner Meinung viel intensiver nachgedacht werden. Denn: „Die Komplexität der Herausforderungen wächst, etwa angesichts von immer mehr privaten Stromerzeugern und Millionen Elektofahrzeugen.“
Das Foto zeigt v.l.n.r.: Hendrik Lenz, Tim Eshold, Björn Thümler, Matthias Jantzen, Dr. Sven Rosinger, Joost Kuhlenkamp.