Harte Kritik an Abweichlern in Berlin
BUNDESPOLITIK – Abgeordnete für die Wesermarsch reagieren auf gescheiterte Kanzler-Wahl
Christian Quapp Und Arne Erik Jürgens
WESERMARSCH. (Qua) Das Beben, das am Dienstagmorgen das politische Berlin erschüttert hat, war bis nach Niedersachsen und in die Wesermarsch zu spüren – bei Landes- wie Bundespolitikern, die ihre Wählerbasis hier haben, war der Schreck groß. Wir haben noch vor dem zweiten Wahlgang mit Bastian Ernst, neu gewählter CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis 28 (Delmenhorst – Wesermarsch – Oldenburg Land), sowie Karin Logemann (SPD) und Björn Thümler (CDU), Landtagsabgeordnete aus Berne über ihre Einschätzung des gescheiterten ersten Wahlgangs für Friedrich Merz in Berlin gesprochen.
Bastian Ernst
Mittendrin war der 38-jährige Bundestagsabgeordnete Bastian Ernst aus Delmenhorst, der gerade neu in den Bundestag eingezogen ist. „Wir sitzen gerade gegenüber vom Reichstag in der Parlamentarischen Gesellschaft und warten ab. Man hat uns dazu angehalten, uns fußläufig vom Reichstag aufzuhalten, da heute noch ein zweiter Wahlgang stattfinden könnte“, berichtete Ernst am Nachmittag.
Man sei „gut gelaunt und fest entschlossen“ am Morgen angetreten, um Merz zum Kanzler zu wählen. Als das Ergebnis der ersten Auszählung bekannt gegeben wurde, sei das „erstmal ernüchternd“ gewesen: „Wir hatten uns etwas anderes erhofft und dachten, dass es klappt.“ Zurück im Fraktionssaal hätten die Abgeordneten Friedrich Merz mit einem langen Applaus bedacht, um ihm den Rücken zu stärken. „Wir stehen als Union geschlossen hinter ihm“, sagte Ernst.
Anschließend hoffte der CDU-Abgeordnete, dass die Kanzlerwahl doch noch erfolgreich sein wird: „Wir sollten uns alle tief in die Augen gucken – bei allen Diskussionen und harten Wahlkämpfen. Es tut unserem Land nicht gut und ist verantwortungslos von denjenigen, die so abgestimmt haben.“ Man wisse nicht, wer dahinter steckt, und wolle keine Schuldzuweisungen machen. „AfD und auch Linke feiern das jetzt ab und hoffen destruktiv, dass wir so weitermachen“, so Ernst. Es sei ein Musterbeispiel dafür, wie man die „extremen Ränder“ noch mehr stärkt.
Karin Logemann
Karin Logemann, SPD-Landtagsabgeordnete aus Berne, wollte eigentlich mit Fraktionskollegen bei einer Klausurtagung wichtige landespolitische Themen beraten. Doch dann kam die Nachricht, dass Friedrich Merz im Bundestag im ersten Wahlgang die Wahl zum Bundeskanzler verpasst hat. „Natürlich hat diese Nachricht alles überstrahlt“, sagte Logemann im Gespräch mit unserer Redaktion. Und ihre Einschätzung zu dem, was da in Berlin passiert war, war eindeutig. „Ein guter Tag für die Demokratie war das nicht.“ Bei allen Diskrepanzen, die es zwischen SPD und CDU und eventuell innerhalb der Parteien gebe, sei ein solches Abstimmungsverhalten nicht in Ordnung. Auf die Frage, ob nach ihrer Einschätzung eher Abgeordnete der CDU oder ihrer eigenen Partei, der SPD, Merz die Stimme verweigert hätten, wollte sie sich nicht festlegen. „Das wäre Glaskugelleserei. Ich könnte mir vorstellen, das es etwas von beidem war.“
Björn Thümler
Björn Thümler, Landtagsabgeordneter der CDU und ebenfalls aus Berne, zog einen historischen Vergleich. Er fühle sich an das Scheitern der großen Koalition von Gustav Stresemann in der Weimarer Republik im Jahr 1923 erinnert. Damals sei ein großer Schaden entstanden. „Und auch jetzt ist der Schaden angerichtet. Da war man völlig geschichtsvergessen unterwegs“, so Thümler. Ob die Abweichler jetzt aus CDU oder SPD kämen, könne nur spekuliert werden, so der Berner Abgeordnete. Seine Kritik richte sich an jeden, der Merz seine Stimme verweigert habe. Dennoch, da ist Thümler überzeugt, könnten die Kanzlerschaft von Friedrich Merz und die Koalition noch ein Erfolg werden. „Wenn sich diejenigen besinnen, die heute so abgestimmt haben und wenn sie die Inhalte umsetzen, die gemeinsam beschlossen wurden.“
Besonnen haben sich die Abweichler im zweiten Wahlgang – wie es mit er Umsetzung der Inhalte aussieht, müssen die kommenden Jahre zeigen