Wie lässt sich das Klima schützen, ohne dass jemand wirtschaftlich auf der Strecke bleibt? Und lässt sich mit der Energiewende vielleicht sogar Geld verdienen? Im Landkreis gibt es jetzt zwei Forschungsprojekte, die hierauf Antworten liefern sollen.
von Timo Kühnemuth 20. Februar 2023
Bis 2045 möchte Deutschland klimaneutral sein, also keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre abgeben oder deren Emissionen vollständig kompensieren. Ein ambitioniertes Ziel, das sich nur mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen erreichen lässt – und das wohlüberlegt. Gleichzeitig soll niemand größere finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Wie das funktionieren kann, wird für die Wesermarsch nun in zwei Projekten ermittelt.
– Forschungsprojekt Nummer eins: Die Jade-Hochschule und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) starten zum 1. März ein vom Land mit 300.000 Euro gefördertes Projekt, das den Titel „Regionale Strategische Energieplanung“ trägt. Für die Energieversorgung der Zukunft brauche man auch im Landkreis Standorte für beispielsweise Photovoltaik, Wasserelektrolyse und Biogasanlagen, sagt Professor Sascha Koch, der das Projekt seitens der Jade-Hochschule betreut.
Doch wo gibt es die erforderlichen Flächen für Paneele, Elektrolyseure und Faultürme? Und bestehen womöglich Nutzungskonflikte, die erst noch gelöst werden müssten? „Wir können bei diesen Entscheidungen unterstützen“, betont Sascha Koch, der an der Hochschule eine Professur für Informatik mit dem Schwerpunkt Datenanalyse innehat. „Wir wollen uns den Landkreis von oben anzuschauen – auf der Basis von sehr vielen Daten“, sagt er.
Mit dem, was die Forscher der Jade-Hochschule und des DLR herausfinden, soll der Landkreis längerfristig strategisch planen können. So soll er Flächen, die sich hervorragend für einen neuen Windpark samt Stromspeicher und -trasse eignen, schon frühzeitig erwerben können – bevor ihm ein anderer Käufer zuvorkommt.
Das alles soll auf der Grundlage von Daten und Fakten geschehen, „die momentan zum Teil noch fehlen“, wie der CDU-Landtagsabgeordnete Björn Thümler anmerkt. Das Forschungsprojekt solle der Politik dabei helfen, „Dinge besser zu durchdenken, bevor man Geld ausgibt“. Deshalb habe er sich schon zu der Zeit, da noch Wissenschaftsminister war, für eine Förderung des Projektes starkgemacht.
Solarenergie und grünem Wasserstoff statt Kohlestrom und Erdgas, Abwärme statt Ölheizung: Die großen Industriebetriebe der Wesermarsch sollen genauso als Sieger aus der Energiewende hervorgehen wie die Privathaushalte. Damit das gelingt, sollen neben dem Landkreis auch betroffene Akteure eingebunden werden – etwa durch Seminare.
Das neue Projekt sei ein „wichtiger Baustein“ für den Landkreis, der dabei sei, mit einer Vielzahl an Maßnahmen, den Klimaschutz voranzutreiben, betont Landrat Stephan Siefken. Das Forschungsprojekt könne dazu beitragen, alles miteinander zu verknüpfen. Die Wesermarsch nehme hierbei eine Vorreiterrolle ein. Andere Kreise könnten profitieren. Professor Manfred Weisensee, Präsident der Jade-Hochschule, beschreibt es wiederum so: „Es geht darum, die Klimaschutzziele zu erreichen und gleichzeitig die regionale Entwicklung voranzutreiben.“
– Forschungsprojekt Nummer zwei: Aus Mooren entweicht Kohlenstoffdioxid in erheblichen Mengen. Der Bund hat darum festgelegt, dass diese Emissionen bis 2045 komplett beendet werden müssen, was nur durch Wiedervernässung zu erreichen ist. Doch allein in der Wesermarsch werden 13.400 Hektar Moorflächen als Dauergrünland zur Milcherzeugung genutzt. Wie lässt sich das unter einen Hut bringen?
Dies soll wiederum ein Projekt klären, das vom Grünlandzentrum in Ovelgönne geleitet wird. „Wir brauchen die Landwirte in der Fläche, wir dürfen sie nicht vergraulen“, mahnt Geschäftsführer Dr. Arno Krause. Das Ziel müsse daher eine rentable, zugleich aber auch moorschonende Landwirtschaft sein, sagt er.
Eine mögliche Lösung könne eine Moorbewirtschaftung mit geringeren Erträgen sein, die sich für den Landwirt aber noch wirtschaftlich rechnet, weil er auf seinen Flächen gleichzeitig auf Photovoltaik setzt, so Arno Krause. „Dadurch bleibt die Unwirtschaftlichkeit aus.“
Das ebenfalls vom Land geförderte Moorflächen-Projekt hat laut Leiterin Lena Weber ein Gesamtvolumen von 221.500 Euro. Es soll dabei helfen, die Optionen, die es für bestmögliche Verknüpfung von Landwirtschaft und Moorschutz gibt. „Zudem geht es darum, ein Netzwerk aufzubauen und somit die Voraussetzungen für einen Wissens- und Praxistransfer zu schaffen.“ Alle, die es betrifft, sollen Bescheid wissen – und zudem ein Problembewusstsein entwickeln.