„Das Thema der ambulanten ärztlichen Versorgung muss 2024 zu einem politischen Schwerpunkt in der Wesermarsch werden.“ Das meint der CDU-Landtagsabgeordnete Björn Thümler. Im Landkreis häuften sich die personellen Engpässe in den Praxen; Leerstände nähmen gravierend zu. Zwar sind die Einflussmöglichkeiten der kommunalen Politik nach Einschätzung des Politikers – der auch CDU-Kreisvorsitzender ist – begrenzt. Aber an den durchaus vorhandenen Stellschrauben müsse in der Wesermarsch verstärkt gedreht werden – „und vor allem koordiniert“. Die einzelnen Städte und Gemeinden sollten ihre Synergien bündeln anstatt bei dem Thema miteinander zu konkurrieren; die bereits aktive Pflegekonferenz auf der Ebene des Landkreises könnte um den Aspekt der ambulanten ärztlichen Versorgung erweitert werden.
Wie dramatisch die Lage auf längere Sicht noch werden könnte, geht aus der Prognose „Ärztebedarf in Niedersachsen 2035“ der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) hervor. Thümler erinnert an sie. Demnach werde der hausärztliche Versorgungsgrad in der Wesermarsch auf 65 Prozent sinken. Auch bei fast allen Fachärzten sei die „Tendenz negativ und besorgniserregend“, so der Politiker aus Berne. Zum Beispiel werde sich der Versorgungsgrad bei den Augenärzten voraussichtlich von mehr als 110 Prozent 2019 auf 50 bis 100 Prozent 2035 verschlechtern. In etwa vergleichbar sei das Bild bei den Chirurgen/Orthopäden, Frauenärzten, Urologen, Nervenärzten und Psychotherapeuten.
Bei den Hautärzten und HNO-Ärzten werde der Versorgungsgrad den KVN-Prognosen zufolge sogar von 50 bis 100 Prozent 2019 auf unter 50 Prozent 2035 fallen.
Finanzielle Anreize der Kommunen alleine könnten die Problematik nicht entschärfen, ist sich Thümler sicher. Denn bei einem solchen „Überbietungswettbewerb“ seien immer Städte und Gemeinden im Rennen, die mehr Geld anbieten könnten als andere.
„Es gibt kein Patentrezept“
Vielmehr sei ein ganzes Maßnahmenbündel erforderlich: „Es gibt kein Patentrezept.“ So müssten die potenziellen Anwärter auf eine Arztstelle zum Beispiel von der Familienfreundlichkeit ihrer künftigen Heimat fest überzeugt sein und davon, dass ihr Partner beziehungsweise ihre Partnerin in der Wesermarsch passende Arbeitsmöglichkeiten vorfinden würde. Darüber hinaus nennt Björn Thümler Stichpunkte wie den Ausbau von Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten auch über das Internet sowie ein Netzwerk von Gemeindeschwestern und Gemeindenotfallsanitätern.
Ein herausragender Ansatzpunkt für eine verbesserte Lage ist nach Überzeugung Thümlers, der von 2017 bis 2021 niedersächsischer Wissenschafts- und Kulturminister war, das Medizinstudium.
In der Amtszeit von Björn Thümler wurden die Kapazitäten um mehr als 30 Prozent ausgebaut, von 598 Plätzen im Studienjahr 2017/18 auf 789 im Studienjahr 2022/23. Der Großteil dieser Plätze entfiel auf die Universität Göttingen (349) und die Medizinische Hochschule Hannover (320). Doch auch in Oldenburg wurde die Zahl auf 120 Plätze innerhalb von vier Jahren verdreifacht.
Björn Thümler und seine Landtagsfraktion bekennen sich zu 200 weiteren Studienplätzen. Zugleich müsse der Zugang zum Medizinstudium erleichtert werden. „Wir müssen uns von der Fixierung auf den Numerus Clausus (NC) lösen“, betont Thümler. Bisher sei in der Regel ein sehr gutes Einser-Abi für das Studium notwendig. Künftig könnte dagegen eine Kombination aus den Abiturnoten, einem Medizinertest und Erfahrungen wie etwa einer Ausbildung im Krankenpflegebereich über die Vergabe der Studienplätze entscheiden. Das regt der CDU-Landtagsabgeordnete an.
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